Ein Marsmensch der Aerodynamik

Anlässlich des 50. Todestags von Theodore von Kármán veröffentlichen wir diesen Artikel.

Eine Straße, ein Studentenwohnheim und ein Hörsaalgebäude in Aachen tragen den Namen eines Marsmenschen: Theodore von Kármán, erster Leiter des Instituts für Aerodynamik an der RWTH, Flugzeug- und Raketenkonstrukteur.

Marsmenschen, so nannte Kármán in den 1940er Jahren die in die USA emigrierten ungarischen Wissenschaftler um ihn selbst, Leo Szillard, Entdecker der nuklearen Kettenreaktion und Edward Teller, den „Vater der Wasserstoffbombe“.

Der 1881 in Budapest geborene Kármán kam 1913 nach Aachen, kurz nach seinem wissenschaftlichen Durchbruch. Nach seiner Promotion in Göttingen am Lehrstuhl Ludwig Prantls, dem damals weltweit führenden Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik, beschrieb er 1911 die Entstehung von Wirbelstraßen. So legte er die Basis für das Verständnis der Strömungsmechanik und ihre praktische Anwendung beim Bau von Flugzeugen, Schiffen, Brücken und Türmen.

In Göttingen hatte Kármán gefremdelt: Das Verhältnis zu Prantl war stets kühl gewesen. Als Jude hatte er keinen Zugang zu den Göttinger Burschenschaften, die ihm ohnehin suspekt waren. Der Ruf nach Aachen auf den Lehrstuhl für Mechanik und flugtechnische Aerodynamik kam für ihn zur rechten Zeit. Der Erste Weltkrieg unterbrach Kármáns Tätigkeit in Aachen, doch 1919 kehrte er zurück und feierte große Erfolge: An seinem Institut entstanden bahnbrechende Arbeiten über Festigkeit, Strömungsmechanik und Luftfahrttechnik. Dabei profitierte er ironischerweise von den Bestimmungen des Versailler Vertrages, die ihn zwangen, sich auf Segelflugzeuge zu konzentrieren. Ab Mitte der zwanziger Jahre baute Kármán das Aerodynamische Institut am California Institute of Technology mit auf, bevor er 1933 aus Aachen vertrieben wurde.
Der Denunziationsausschuss des AStAs der RWTH zeigte Kármán und andere Professoren im Frühjahr 1933 als Juden und vermeintliche Kommunisten an. Kármán war zu dieser Zeit in Kalifornien und zog es vor in den USA zu bleiben, obwohl die TH versuchte, ihn zur Rückkehr zu bewegen.

In Amerika widmete sich Kármán der Grundlagenforschung für Raketen- und Düsentriebwerke und gründete das Jet Propulsion Laboratory, das später in der NASA aufging. 1945 kehrte Kármán als Berater des US-Militärs nach Deutschland zurück. Hier stellte er entsetzt fest, wie weit das „Dritte Reich“ den Amerikanern bei der Erforschung von Ballistik und der Entwicklung von Strahltriebwerken voraus war. Auch die Begegnung mit seinem Doktorvater, Prantl, blieb in schlechter Erinnerung: Prantl leugnete jede Kenntnis der Naziverbrechen gegenüber Kármán, der kurz zuvor das Konzentrationslager Dora besucht hatte.

Waren Kármáns Vielseitigkeit und Produktivität schon zu Beginn seiner Laufbahn beeindruckend gewesen, wurden sie in den Nachkriegsjahren überwältigend: Er half bei der grundlegenden Erneuerung der US-Luftwaffe mit Düsenflugzeugen und gründete eine Beratergruppe der NATO für Luftfahrtforschung (AGARD). In den 1950er Jahren schrieb er Arbeiten über Thermochemie und förderte die internationalen Beziehungen in der Wissenschaft. Unter seiner Führung entstanden der International Council of Aeronautical Sciences (ICAS) und die Internationale Astronautische Akademie. Er wurde vielfach ausgezeichnet und erhielt 1963 die erste National Medal of Science.

Vor 50 Jahren, am 7. Mai 1963 verstarb Theodore von Kármán während eines Kuraufenthaltes in Aachen.

Author: Fabian Müller-Lutz

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