Als Arthur Boyd Reumont 1881 als erster namentlich bekannter Prinz Karneval regierte

Gestellt aus den Reihen des Aachener Karnevalsvereins (AKV) war 1881 der gerade 21 Jahre alte Arthur Boyd Reumont der erste in Aachen namentlich bekannte Prinz Karneval.

Nach acht närrischen „Reichstags-Sitzungen“ an den vorangegangenen Sonntagen in der „Erholung“, dem Narren-Palast des AKV, war Arthur B. Reumont glanzvoller Mittelpunkt einer feierlichen Birutschenfahrt, die am Rosenmontag, 28. Februar, ab 11 Uhr 11 unter Glockengeläut von der Marienthaler Kaserne aus durch die Franzstraße, Jesuitenstraße, Markt, Büchel, die City und die Gräben zum Hotel Freise am Friedrich-Wilhelm-Platz zog, wo das Fest-Diner eingenommen wurde. Zu Birutschenfahrten, die anstelle von Maskenzügen stattfanden, gehörten stets elf offene Kutschwagen mit elf „Würdenträgern des Komités“, voran der jeweilige Präses in einer vierspännigen Kutsche. Die erste Birutschenfahrt hatte die Florresei 1835 organisiert, weil die Aachener Regierung aus Furcht vor Arbeiterunruhen Maskenzüge verboten hatte. So durften bis 1840 dabei auch nur die Vereinsmützen und keine Kostüme getragen werden. Station wurde unterwegs an elf illuminierten Hotels gemacht, wo den Mitfahrenden ein Ehrentrunk gereicht wurde!

Mit Arthur Boyd Reumont begann also die illustre, nun 133-jährige Geschichte der namentlich bekannten Aachener Karnevalsprinzen, die sich anfangs noch duellierten, ein Meister im Rednerwettstreit waren, den unerfüllten Traum ihrer Väter wahr werden ließen oder als „Prinz Karneval auf Brautschau“ falsche Hoffnungen bei den Schönen dieser Stadt weckten. Honorig müssen sie gewesen, elegante Erscheinungen in gesellschaftlicher Perfektion, die unter Kristalllüstern mit ihren Damen einen Walzer tanzten. Und doch, für einen Tag, maximal drei Tage, sagten sie allen Konventionen ade, bestiegen einen bis zu 8.50 Meter hohen Triumphwagen und repräsentierten mit „hohem Anstand und wahrhaft fürstlicher Würde“ einen Prinzen Karneval. Erst im Wandel der Zeit veränderte sich das Bild eines Narrenherrschers. Heute ist er Entertainer, der singen, tanzen, musizieren kann und seine Regentschaft in den Dienst sozialen Engagements stellt.

Es war nicht leicht den frühen Prinzen auf die Spur zu kommen. Die Archiv-unterlagen des AKV aus der Zeit bis zum zweiten Weltkrieg waren durch die Kriegswirren nicht mehr vorhanden. Ich ahnte also nicht, worauf ich mich einließ, als ich im Sommer 2004 dem AKV versprach, zur anstehenden Jubiläumssession 125 Jahre AKV-Prinzen ein „kleines Porträt“ über diese Tollitäten zu schreiben! Wo sollte ich sie finden? Bekannt ist, dass es bereits 1830 einen Rosenmontagszug gab und die „Erscheinung des Helden Karneval mit seinen beiden Pagen, so auch Saladin und Richard Löwenherz zu Pferde, ungemein glänzend war“. Wie er aber hieß – wir wissen’s nicht. Namen waren für Chronisten wohl nur Schall und Rauch.

Und plötzlich stand er vor mir!

Wo also war mehr über diesen Arthur Boyd Reumont zu erfahren, als nur sein Name? Meine Recherchen setzten ein. Stadtbibliothek, Stadtarchiv, Erholungsgesellschaft, Club Aachener Casino und die Archive von AAK, AKV, Aachener Traditionsvereinen und Zeitungsverlag wurden kopfgestellt. Und plötzlich – fast möchte ich sagen – stand er vor mir, dieser „Archie“, wie ihn seine Freunde nannten. Er stammte aus einer angesehenen Aachener Familie. Sein Vater Arthur Reumont (1812 – 1884) war ein Bankkaufmann und 1837 Mitbegründer der Erholungsgesellschaft Aachen. Er wanderte 1848 nach Amerika aus, wo er zehn Jahre später eine Ellie Boyd heiratete. Am 23. November 1859 wurde in New York ihr Sohn Arthur, genannt „Archie“, geboren und sechs Jahre später dessen Schwester Elvira. 1875 kehrte die Familie nach Aachen zurück. „Archie“ trat mit seinem Vater in die Aachener Nadelfabrik Gebr. Neuss, Heinrichsallee 29 ein.

„Archie war bildhübsch und konnte maßlos übertreiben“

Nach im Jahr 2004 im Aachener Stadtarchiv vorhandenen, schriftlichen Schilderungen seines Vetters war er ein „bildhübscher Junge, beliebt bei jung und alt, der maßlos übertreiben und lügen konnte, ohne, dass es böse gemeint war“. Jeckes Öcher Blut musste er also schon in den Adern haben. Fast nie soll es gestimmt haben, was er sagte. Da er zum Beispiel als Junge nicht gern mit seinen Freunden im Hangeweiher schwimmen ging, erfand er die Mär, der Schwimmmeister würde dort Schnaps in Biergläsern ausschenken. Diesem war zwar der Ausschank von Flaschenbier und „Schnäpschen“ gestattet, hatte aber dann große Aufregungen, um die unwahre Behauptung von „Archie“ zu widerlegen.

Als der Vater drei Jahre nach der Prinzenzeit seines Sohnes starb, übernahm dieser dessen Nadelfabrik als alleiniger Inhaber und war ein fleißiger, erfolgreicher Kaufmann. Arthur Boyd Reumont heiratete am 13. Januar 1886 Hubertine Josefine Maria Neus-s. Doch seine Ehe war unglücklich, da ihn seine Frau betrog. Er stellte den Nebenbuhler zum Duell mit Pistolen und schoss ihm in die Schulter. Im Alter von nur 40 Jahren starb Arthur Boyd Reumont am 3. März 1900 in Kairo. Vergeblich hatte er gehofft, dort seine Tuberkulose ausheilen zu können. Sein 1887 geborener Sohn Hubert Fritz Arthur Reumont studierte nach dem Abitur am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium zwei Jahre in Lausanne und trat 1909 als Teilhaber in die Nadelfabrik Simons und Reumont ein, die 1924 geschlossen wurde. Zuletzt lebte er als Kaufmann in Düren und kam dort 1944 bei einem Luftangriff ums Leben.

Angesehene und einflussreiche Mitglieder der Familie von Reumont

Der Onkel des Prinzen Karneval und Bruder seines Vaters war Dr. jur. Dr. phil. Alfred von Reumont (1808–1887), ein Philosoph, Diplomat, Historiker und Literaturwissenschaftler. Er gilt als bedeutender kultureller und diplomatischer Mittler seiner Zeit zwischen Deutschland und Italien. 1879 gründete er den Aachener Geschichtsverein und wurde 1883 zum dritten Ehrenbürger Aachens ernannt, eine Auszeichnung, die ihm zuvor bereits auch Florenz und Rom verliehen hatten. Anlässlich seines 200. Geburtstages referierte Prof. Dr. Frank Pohle im Dezember 2008 im Rahmen der Vortragsveranstaltungen der Sammlung Crous über das Lebenswerk des Aachener Ehrenbürgers. Alfred von Reumont sei ein äußerst produktiver Autor gewesen, hieß es, der 150 Bücher zur italienischen Geschichte, Kunst und Kultur schrieb, darunter das dreibändige Werk zur Geschichte der Stadt Rom. 1500 Artikel habe er als Korrespondent der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ verfasst und darüber hinaus Tausende von Briefen einer lebhaften Korrespondenz mit Persönlichkeiten seiner Zeit hinterlassen. Alfred von Reumont sei zwar nicht unumstritten gewesen und wurde von seinen Neidern und Kontrahenten als „viel schreibender Seitenfüller“ betitelt. Unbestritten aber blieben seine Tugenden: Fleiß, Geselligkeit und Disziplin. Er war unverheiratet, aber „kein Kind von Traurigkeit“. Bis heute sind seine Schriften wenig gesichtet und kaum bekannt. Seine Bibliothek, mit einer berühmten Dante-Sammlung, hatte Alfred von Reumont der Öffentlichen Bibliothek der Stadt Aachen vermacht. Als Sohn des Aachener Badearztes Gerhard Reumont geboren, war er großbürgerlich aufgewachsen, trat nach seiner Promotion in die Dienste des preußischen Auswärtigen Amtes, brachte es bis zum preußischen Geschäftsträger in Florenz und Rom und war ein enger Freund des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. sowie dessen Reisebegleiter nach Italien. Als dessen Sohn Wilhelm I. den Thron bestieg, wurde er aus dem aktiven Dienst entfernt. 1868 kehrte von Reumont zunächst nach Bonn und zehn Jahre später nach Aachen zurück. Hier war er 1879 Mitbegründer und erster Präsident des Geschichtsvereins. Er starb am 27. April 1887. Die Reumontstraße erhielt 1894 seinen Namen.

Jutta Katsaitis-Schmitz

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