Dirk von Pezold: überzeugender Interpret des Lennet Kann

Ein wenig überrascht waren die Herren im schwarzen Anzug schon, als sich der gerade drei Wochen zu-vor frisch gebackene Diplom-Volks-wirt Dirk von Pezold (25) als künftiger Narrenherrscher in seiner Antrittsre-de wie folgt vorstellte: „Ich bin 1,86 m groß, wiege 65 Kilo, mein Hüft- und Brustumfang ist angenehm, mein Lie-besleben ist geregelt“.

So geschehen beim AKVHerrenabend am 11. November 1968, bei dem, wie damals Brauch, der designierte Prinz Karneval für die neue Session erstmals vorgestellt wurde. Doch dann lachten die honorigen AKVer und ahnten bereits, dass ihnen noch einige Überraschungen mit diesem selbstbewussten, sympathischen jungen Mann bevorstehen würden. Auf das erste „Ärgernis“ mussten Präsident Erich Servais und der Elferrat nicht lange warten, war es doch die Zeit der 68er Revoluzer mit ihrer Außerparlamentarischen Opposition.

So stürmte am 17. Januar 1969 zur Proklamation der neuen Tollität in APOManier eine Studentenschar in Trenchcoats mit einem großen Transparent ins Neue Kurhaus: „Brecht dem Jacques die Gräten. Alle Macht den Elferräten!“ Wenig später entpuppten sie sich als der designierte Prinz Dirk I. von Pezold und sein Hofstaat, die damit aber auch quasi eins der ersten Prinzenspiele in Szene gesetzt hatten.

Das Motto seiner närrischen Regentschaft lautete: „Öcher Lü verkleid üch bonk, denn et jeäht atwier ronk!“ „Es war eine tolle Zeit“ erinnert sich Dr. von Pezold, der durch seinen väterlichen Freund Jules Peters (AKVPräsident 1984–1987) an den Karneval herangeführt und Karnevalsprinz geworden war. Noch war nicht vorauszusehen, dass der junge Narrenherrscher 1984 Elferrat, 1989 Vizepräsident und von 1997 bis 2003 AKVPräsident sowie anschließend Ehrenpräsident sein würde. „Ein Highlight während meiner Präsidentenjahre war für mich, dass es durch eifrige Recherche gelang, den als verstorben geltenden, ersten Ordensritter des Jahres 1951, Militärstaatsanwalt James A. Dugdale ausfindig zu machen und ihn persönlich bei der Festsitzung 1999 mit Ordensritter John C. Kornblum zu empfangen“, erinnert sich von Pezold.

Seine Prinzensession war für ihn zugleich eine Art Junggesellenabschied, denn schon im Mai 1969 heiratete er dann seine erste Frau Christa. Bei jeder Veranstaltung hielt Dirk I. eine freie, manchmal auch etwas „freche“ Rede, die ganz auf den betreffenden Verein bezogen war. Die entsprechenden Informationen holten vorher sein Adjutant Karl Haamann und Hofmarschall Karl Schumacher ein. Ärger gab es einmal mit Bischof Johannes Pohlschneider, als sich der Prinz bei einem Pfarrkarneval mit Blick auf das charmante Tanzmariechen an die anwesenden jungen Vikare wandte: „Wenn Ihr sie als SakristeiMariechen hättet, würden sicher mehr Leute in die Kirche kommen“, spöttelte er und musste, begleitet von Jules Peters, vor dem Bischof Abbitte tun.

War Jupp Schollen 1957 als „Lennet Kann“ eine Zufallsentdeckung, so ergab sich die Anregung für Dirk von Pezold, doch diese Rolle zu übernehmen bereits 1969 durch Schollen selbst. Und das nicht von ungefähr. Es war jenes Jahr, in dem von Pezold als Prinz Karneval die Öcher Jecke regierte. Häufig trat Tollität mit seinem Hofstaat sowie Schollen als „Lennet“ bei den Karnevalssitzungen zum krönenden Abschluss in den beiden Schlussnummern auf. Nach dem letzten Auftritt eines Abends zogen der Prinz und sein Hofstaat in Landsknechtkostümen von Pinte zu Pinte, eskortiert von Jupp Schollen, der gern ein Körnchen trank und zur Freude der Gäste seine Lieder zum Besten gab. Als die Prinzensession von Dirk I. zu Ende ging, fragte ihn dann Jupp Schollen: „Wäre die Rolle des Lennet nicht etwas für Dich?“ Nach dem Tod Schollens im Jahr 1982 stellte Jules Peters die gleiche Frage und gab ihm die Bühnenerfahrene Gitta Haller zur Einstudierung an die Seite. Bereits bei der folgenden Sitzung WIDER DEN TIERISCHEN ERNST gab Dirk von Pezold, der beruflich als Verkaufsleiter in 23 Ländern der Welt unterwegs war, 1983 sein Debüt als Lennet Kann in der ihm eigenen Interpretation. Inzwischen Ehrenpräsident des AKV, war er seit 1986 aus den Festsitzungen in der Rolle des Lennet nicht mehr wegzudenken. „Der Lennet ist für den Aachener Karneval ein Markenzeichen. Er ist ein Selbstläufer. Es gibt eine Art Liebesverhältnis zwischen Publikum und Lennet Kann“, ist von Pezold überzeugt. Bei der Festsitzung 2016 war es seine 3 x 11. Session in der Rolle dieses Öcher Originals. Im gleichen Jahr feierte er zusammen mit seiner Gattin Karina, die er 1991 geheiratet hatte, die Silberhochzeit.

Als von Pezold 1997 das Amt des AKVPräsidenten übernommen hatte, gab es Stimmen, die dem AKV vorwarfen, nicht volksnah genug zu sein. Hier setzte von Pezold an, um zu den anderen Aachener Karnevalsvereinen Beziehungen auf Augenhöhe aufzubauen. Bekannt und beliebt, konnte er durch seine „LennetAuftritte“ sowie als „Frank Sinatra va Oche“ mit Chansons in Öcher Platt schnell Kontakte zu den anderen Vereinen herstellen. Bei Veranstaltungen war er ebenso als Büttenredner zu erleben, wie auch fünf Jahre als Sänger bei den „Atömchen“, für die er auch Lieder geschrieben hat. „Nach 34 Jahren ist es Zeit, selbst den Zeitpunkt zu bestimmen, um Abschied von der Bühne zu nehmen“, gesteht von Pezold und es fällt ihm schwer, seine innere Bewegtheit zu verbergen. Dieser Abschied wird am 27. Januar 2018 bei der 68. Festsitzung zur Verleihung des Ordens WIDER DEN TIERISCHEN ERNST an den Ministerpräsidenten des Landes BadenWürttemberg, Manfred Kretschmann erfolgen. Nicht jedoch ohne ganz neue Melodien, zu denen Frank SinatraHits und MillowitschSongs ebenso gehören, wie LennetLieder und ein JuppSchollenPotpourri. „Abschied nehmen ist nicht frei von Emotionen. Doch ich möchte tränenfrei von der Bühne gehen“, bekennt Dr. von Pezold. Doch niemals geht man so ganz! Und so wird auch der beliebte LennetInterpret sicher noch einmal bei kleineren Veranstaltungen zu hören sein.

Jutta Katsaitis-Schmitz

OBEN