Die Prinzenzepter als Zeichen närrischer Macht

Ein Zepter – das ist nicht nur ein entscheidendes Symbol weltlicher, sondern auch närrischer Macht und besitzt lange Tradition.

Alt-Meister Johann Wolfgang von Goethe war es letztlich, der bereits 1789 die Entwicklung des rheinischen Karnevals durch seine Reiseerinnerungen an „Das Römische Carneval“ inspirierte. Er beschrieb darin den Maskenzug der Pulcinelle auf dem Corso zwischen Piazza del Popolo und venezianischem Palast. Über den Pulcinellen-König berichtete er darin: „Ein Dutzend Pulcinelle tun sich zusammen, erwählen einen König, krönen ihn, geben ihm ein Szepter in die Hand, begleiten ihn mit Musik und führen ihn unter lautem Geschrei auf einem verzierten Wägelchen den Corso herauf.“ Kein Wunder also, wenn es nördlich der Alpen Ciolina Zanoli, ein Nachfahre italienischer Einwanderer war, der 1824 beim Kölner Rosenmontagszug als erster Held Carneval gefeiert wurde. (W. Oelzner: „Goethe und die Narren“) Die Öcher Jecke erlebten dann 1830 beim ersten Maskenzug, den die Florresei wieder in A-achen organisiert hatte, einen Held Karneval, dessen Name unbekannt blieb, der aber in „hell strahlender Rüstung“ auch ein Zepter schwang. Der erste namentlich bekannte und vom AKV gestellte Prinz Karneval war Arthur I. Boyd Reumont, der 1881 jedoch nur einen Tag lang bei einer Birutschenfahrt regierte. Glaubt man den historischen Fotografien der A-achener Karnevalsprinzen, so spielte für sie in den ersten Jahrzehnten das Zepter wohl keine entscheidende Rolle, ließen sie sich doch vielmehr lieber mit einem edlen Trinkbecher konterfeien. „Eisprinz“ Ernst I. Niessen war dann 1929 die erste Aachener Tollität mit einem wertvollen Zepter. Es war ein schlanker Silberstab, den der gelernte Gold- und Silberschmied selbst hergestellt hatte. Das Eis war gebrochen und seine nachfolgenden prinzlichen Brüder schwangen wie er, ein allerdings kompaktes, industriell gefertigtes Zepter.

Heute verraten die Zepter biometrische Daten der Tollitäten

Der erste Prinz nach dem zweiten Weltkrieg war 1950 Hans III. Achilles. Er erhielt seine Insignien beim Kostümball im Neuen Kurhaus am Fettdonnerstag um 23.11 Uhr aus den Händen des letzten Vorkriegsprinzen Ewald I. Thelen (1939), der seitdem elf Jahre lang amtierende Tollität gewesen war. Und mit den Prinzen der Nachkriegszeit begann auch die Ära individueller Zepter, deren Motivwahl von Beruf, Hobbys oder persönlichen Interessen der Narrenherrscher bestimmt wurde. So zierte das Zepter von Kurt I. und Kurt II. Simons (1952/1953) ein Weberschiffchen, war er doch gelernter Tuchmacher. Es war das erste vom Senat des AKV gestiftete Prinzenzepter, wie es bis heute Tradition geblieben ist.

Bei Franz I. Baumann (1979), dem „Jahrhundertprinzen“ und Vollblutpädagogen, thronte auf der Zepterspitze Wilhelm Busch’s „Lehrer Lämpel“ auf dem Eäzekomp. Das Logo „Aachens sprudelnde Vielfalt“ krönte 1988 die Insignie von Burghard I. Janser und der Bänker Rolf II. Braun schwang 1989 anstelle eines Zepters mal wieder einen Becher, aus dem eine Arkade europäischer Münzen heraus quoll. Beim Küssen der Schönen sollen sie manchmal ein wenig hin-derlich gewesen sein!

Ein Tierkarussel wurde 1991/1992 zum Zeptermotiv für den Tierschützer Rolf III. Lejeune und in Anlehnung an den venezianischen Karneval mit der Comedia dell’ arte schmückten 1997 eine lachende und eine weinende Maske die Insignie von Dirk II. Courté. Das Zepter in Gestalt eines Federhalters verriet 2001 bei Hanns I. Bittmann eindeutig den Journalisten und bei Boris I. Bongers (2006) vereinten Prinzenmütze und Babor-Rose am Zepter symbolisch den Karneval mit dem Beruf .

Ameröllcher rund um die Prinzenzepter

So manches Ameröllchen umrankt die Zepter närrischer Macht. AKV-Senator und Bauunternehmer Josef Nadenau wurde 1959 Opfer einer Maurerkelle, die das Zepter seines Sohnes Hubert I. Nadenau dekorierte. Als der prinzliche Sohn im jugendlichen Überschwang seiner 21 Lenze zum Alaaf mit dem Zepter ausholte, traf er genau die Augenbraue des hinter ihm stehenden Vaters und das Blut spritzte nur so! Dieter I. Bischoff (1968), Sohn eines Mineralölhändlers und Jurastudent, bekannte sich mit einem Esso-Tiger am Zepter, der einen Paragraphen in den Händen hielt, zum väterlichen Unternehmen und zu Justitia. 2005, beim 125-jährigen Jubiläum der AKV-Karnevalsprinzen, erlebte sein Zepter nach 37 Jahren ein Revival: „Jüppchen“, alias Hubert Crott, schwang es in der Prinzenrunde bei seiner Parodie, auch einmal Prinz sein zu wollen. Franz-Dieter I. Ramrath, Gastwirt „Am Knipp“, hatte 1990 ein kleines Bierfass mit drehbarem Hahn am Zepter, aus dem Narrenmasken hervorsprudelten. „Milleniumsprinz“ und Fleischermeister Rolf IV. Gerrards (2000) ließ häufig bei Auftritten sein Zepter im Pkw zurück, um die Hände für das Mikro frei zu haben. Andererseits störte es auch beim Küssen, denn welche Schöne spürt schon gerne beim hingebungsvollen Kuss einen Dolch in ihrem Rücken, wurde das Zepter doch schließlich von einem Fleischermesser, einem Keyboard und einer Puttesscheibe geziert. Tollität Marcus I. Quadflieg (2003) verfügte sogar über zwei Zepter. Das eine, das dem Zepter Karls des Großen nachgestaltet war, erwies sich rasch als zu schwer. Diese Erfahrung machte 2005 auch Dirk III. Chauvistré. Beim Defilee der Karnevalsgesellschaften nach der Proklamation merkte er bereits, dass sich ein zünftiger Muskelkater anbahnte, zierte doch eine „Zimm“ das Zepter, über der die Trumpfkarten des Doppelkopfspiels prangten. Und just diese Trumpfkarten flogen bei einer Richtericher Damensitzung in weitem Bogen mitten unter die Mäddcher, als der Prinz ihnen allzu stürmisch sein Wohlwollen bekundete. Ähnlich erging es Michel I. Domisch (2004), der   gewohnt, „met Kafumm op de Trumm“ zu schlagen, beim Pfarrkarneval in St. Gregorius ebenso schwungvoll zum Alaaf sein Zepter in die Höhe riss und dabei ein tiefes Loch in die Decke des Pfarrheims stieß.

Beruf, Ambitionen und Engagement stehen beim Zepter Pate

Das Marschiertor und eine Prinzenmütze auf dem Zepter wiesen 1993 Hubert II. Cosler als Oecher-Penn-Gardisten aus. Eine Dart-Scheibe am Zepter verriet 1994 bei Reiner I. Groten dessen Vorliebe für das Dartspiel. Während 1995 ein Tschako mit blinkendem Blaulicht am Zepter Horst I. Hermanns als Polizeioberkommissar auswies, kraxelte 1999 bei Josef II. Henkel ein Narr Sprosse um Sprosse die Leiter hinauf, um zu einem fliegenden Teppich zu gelangen, auf dem eine Prinzenmütze lockte. 2007 regierte Roger Lothmann als Prinz Karneval und schlüpfte beim Prinzenspiel in die Rolle des Meisterspions 007. Getreu seinem Vorbild James Bond trank der smarte Agent dabei seine Martinidrinks „gerührt und nicht geschüttelt“. Das symbolisierte auch sein Zepter mit Cocktailglas und Rührstab auf der einen Seite und der Aachener Stadtsilhouette auf der anderen. Ihm folgte in der Session 2008 Frank II. Prömpeler, der seine Session in den Dienst der guten Sache stellte. „Vür klammere Öcher Jecke för Kenger der Dösch ze decke“ lautete sein Motto. Ein Bleistift war eingespannt in eine Wäscheklammer und unter dem Zeptersockel befand sich ein druckfähiger Stempel mit dem Motto des Prinzen. Beides wies ihn als städtischen Beamten aus. Thomas II. Sieberichs, seines Zeichens passionierter Angler, regierte 2013 unter dem Motto: „Mit Petri Heil im frühen Tau Öcher Jecke angele an Wurm än Pau“. Was lag näher als eine Angel als prinzliches Zepter.

Ein Gerücht über Lösegeld-erpressung geht um

2009 regierte Thomas I. Ebert als ein Prinz Strahlemann. Als ambitionierter Hockeyspieler schwang er einen Hockeyschläger in den Farben des AKV als Prinzenzepter. Stolz ist er, dass Ordensritter Mario Adorf den Zepterschaft mit seinem Namenszug signierte. Sportlich motiviert, war auch 2010 das Zepter von Dirk IV. Trampen, einem passionierter Golfspieler. Senator Rudi Görressen hatte für die Anfertigung eigens zwei originale, historische Golfschläger beschafft und Prinzengardist Josef Esser sorgte durch Sonderorden dafür, dass im Zepter auch seine Zugehörigkeit zur Prinzengarde erkennbar war. Das „Frittenzepter“ mit dem Prinz Alwin I. Fiebus 2011 regierte, symbolisierte sein berufliches Leben mit mobiler Gastronomie, „Haxenhaus“ und „Pomm’Pös“. Gewürzt wurde die Frittentüte des Zepters mit seinem Ordensmotiv „Zwanzig11“. In der Session 2012 trieb Prinz Rainer I. Cohnen seemännisch mit seiner Crew auf der stürmischen Öcher Welle und brauchte natürlich zum Navigieren ein Fernrohr, das er als Zepter fest in der Hand hielt. Kein einziges Mal hat er es aus den Augen verloren, denn unter vorgehaltener Hand kursiert in Aachen ein Gerücht: Wenn die Kehlen der Prinzengarde einmal allzu trocken geworden sind, verschwindet plötzlich das Zepter des Prinzen und das Lösegeld besteht dann aus 50 Litern Bier!

Jutta Katsaitis-Schmitz

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