Der unaufhaltsame Aufstieg vajjen Fraulü ejjen Fastelov

Kaum hat die fünfte Jahreszeit begonnen, da besinnen sich die Mannslü auf alte Tugenden und werden zu Minnesängern. Das hat in Aachen Tradition seit den „Prentestiifen Fraulü vajjen Hotmannspief“. Danach wurde es schon begehrlicher. „Du sollst mich lieben für drei tolle Tage“, „Oh, sag’ mir das noch einmal“ und: „Du hast so wunderschöne, blaue Augen“ wurden nun zum Schmusesound von Vorgestern. Und heute? Da ist Power angesagt. „Vür danze met dr Mäddcher, halleluja“ rocken die Bands und bringen die Säle zum Wackeln, denn die selbstbewussten Mäddchere lassen sich das nicht zweimal sagen. „Vür sönd de löstelije Wiver vajjen Maat“ echot es zurück.

Frauen und Karneval sind ein Kapitel für sich, da stehen heute (fast) alle Türen offen. Fünf Ritterinnen neben 60 Rittern Wider den tierischen Ernst sind hierfür ein Aushängeschild des AKV. Und der musste 1988 auch erst einmal über seinen eigenen Schatten seiner damals 129-jährigen Tradition springen, als er Professorin Dr. Gertrud Höhler zur ersten Ritterin erkor. Sechs Jahre gingen ins Land, bis 1994 die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Renate Schmidt, zu gleichen Ritterinnenehren gelangte. Weitere vier Jahre mussten vergehen, bis 1998 Heide Simonis, damals Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, zur dritten Ritterin gekürt wurde. Erst nach zehn Jahren weiblicher Abstinenz eroberte dann 2008 mit Gloria Fürstin von Thurn und Taxis wieder einmal eine Frau den Narrenkäfig.

Anno 1133 empörte sich der Abt Rudolf von Sint Truiden, dass zu Fastelovvend,

„… beim Schwinden des Tages, als schon der Mond am Himmel stand, Scharen verheirateter Frauen, unter Hintansetzung weiblicher Scham, mit aufgelösten Haaren aus ihre-n Gassen hervorkamen, sich schamlos, teils nur im Unterkleid, unter die Leute mischten, die um das revolutionierende Narrenschiff herum Chortänze aufführten.“

Was würde der Abt wohl heute sagen, sähe er an Fettdonnerstag die Tausende fröhlich ausgelassener Wiver vor dem Jonastor und dem Eäzekomp? Doch allein im närrischen Treiben erschöpft sich für die Närrin von heute noch lange nicht der Karneval. Nein, die moderne Karnevalistin gestaltet die fünfte Jahreszeit selbst aktiv mit: sei es als Präsidentin einer Karnevalsgesellschaft, als Tanzmarie, Tänzerin einer Showtanzgruppe, Büttenrednerin, Sängerin, Schatzmeisterin, Trainerin, Betreuerin, Schriftführerin, Pressewartin, Schneiderin und, und, und …

Auch beim AKV, liebe Leserinnen und Leser, ist die närrische Emanzipation peu-a-peu nicht aufzuhalten, denn im Jahr 2015 ist es nun die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kram-Karrenbauer, die als fünfte Ritterin in die Männerdomäne von 60 gestandenen Rittern Einzug hält.

1988

Erste Ritterin des Ordenskonvents
Prof. Dr.phil. Gertrud Höhler

Gertrud Höhler wurde 1941 als Tochter eines evangelischen Pfarrers in Wuppertal geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Bonn, Berlin und Zürich Germanistik und Kunstgeschichte. Sie promovierte 1967 und war seit 1976 Professorin für allgemeine Literaturwissenschaft. Ihre Universitätskarriere begleitete sie durch Rezensionen und Essays für Hörfunk und Presse. Als Moderatorin beim WDR-Kulturmagazin „Galerie“ und der „Sonntagsgespräche“ beim ZDF sammelte sie Fernseh-erfahrung. Später wurde sie „Deutschlands Berater-Lady Nummer eins“, wie der „HORIZONT“ sie in den 90er Jahren betitelte. „Der Herzschlag der Sieger für Innovations-schübe der Unternehmen sind Dienstleistungen und ein neues Kommunikationsverständnis“, lautete ihre Empfehlung.

Gertrud Höhler ist Optimistin und begegnet anderen Menschen stets mit einem Lachen im Gesicht. „Lachen ist ansteckend und eine humane Strategie, gegen die Leute im Ernst nicht viel einwenden“, lautet ihre Lebensphilosophie. „Lachen und Lust haben die gleichen Wurzeln, schaffen Solidarität“, sagte sie in einem Interview. Und was bedeutet ihr Karneval? „Altweiber-Fastnacht, Funkenmariechen, Begleiterin des Prinzen, in der Bütt, um sich für Lächerlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Aber die großen Narrenfiguren sind Männer. Eine Frau als Hofnarr – das passt nicht“, so die Ritterin wider den tierischen Ernst. Die Rolle der Frau im Karneval sei noch nicht definiert

1994

Zweite Ritterin des Ordenskonvents

Renate Schmidt, damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und bayerische SPD-Landesvorsitzende

Als „Pythia von Nürnberg“ mit der gläsernen Kugel der Weisheit in der Hand, erlebten die Aachener sie bei der AKV-Festsitzung 1994 mit ihrer Ritterinnenrede. „Ob Lachen oder Tränen: Bei Renate Schmidt kommt beides von Herzen, und sie ist damit das lebende Beispiel für die zwei Seiten des Ordens Wider den tierischen Ernst“, wurde ihr vom AKV bescheinigt. „Aus vollem Herzen lachen können, ohne sich zum Narren zu machen – und weinen können, ohne ein Clown zu sein“: Beides hat Renate Schmidt in ihre vielen politischen Ämter eingebracht. „Dem Zwang der Anpassung widerstrebt sie mit robustem Gemüt“, lautete die Anerkennung. „Zu Orden habe ich ein gespaltenes Verhältnis“, bekannte sie, als ihr der Orden angetragen wurde. Aber über den Ritterorden freue sie sich doch, zumal viele sie deswegen beneideten. Von der bayerischen Presse wurde sie als „gestandene Närrin ihrer Heimat Nürnberg“ betitelt, wo sie Mitglied in zwei Karnevalsvereinen ist.

Stehende Ovationen erntete Vorjahresritter Norbert Blüm für seine Laudatio, in der es hieß: „Renate wird jetzt Ordensfrau. Wir rufen Vivat und Helau. Sie ist der schönste Ritter, nur dass sie bei den Sozis ist, ist bitter!“ Frauen an die Macht! Konterte Renate Schmidt und zeigte, wohin ihre Reise gehen sollte: „Wir machen Rabbatz und wenn Ihr’s verpennt, wackelt Ihr Ritter, Euer Fundament!“

1998

Dritte Ritterin des Ordenskonvents
Heide Simonis, damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein

Als „wortgewaltige, rote Freibeuterin aus Kiel“ avisiert, trat die sturmerprobte Regierungschefin aus dem Norden in den Narrenkäfig des AKV. „Sie werden als Frau nur etwas, wenn Männer eine Sache in den Sand gesetzt haben“, lautete die kecke These dieser Frau, die vor Jahren schon auszog, sukzessive klassische Männerdomänen zu erobern. So schildert der Autor des AKV-Prinzenheftes 1998 seine Begegnung mit der dritten Ritterin des Ordens wider den tierischen Ernst. „Irren ist menschlich“, habe die Dame im Gespräch noch eins draufgesetzt und erhalte nun bei der AKV-Festsitzung 1998 am „Öcher Narrenstrand“ die Quittung: Der „rhetorische Wildfang“ komme unter die Narrenhaube.

Heide Simonis hatte dem AKV-Elferrat die Entscheidung leicht gemacht. „Wir suchen immer den Menschen hinter dem Amt. Frau Simonis besticht durch Hartnäckigkeit, Durchsetzungskraft und pointierten Humor, den sie auch im politischen Alltag beweist“, heißt es in der offiziellen Begründung zur Ordensverleihung. Geboren in Bonn, wuchs Heide Simonis in Bonn, Hamburg und Nürnberg auf. Damit vereint sie in sich die rheinische Frohnatur mit nordisch kühlem Kopf und fränkischem Witz. In ihrer Schlagfertigkeit zeigt sich das rheinische Temperament und sie redet draußen wie hinter geschlossenen Türen. „Ich könnte mir nie merken, was ich gestern gelogen habe“, lautet ihre Erklärung.

2008

Vierte Ritterin des Ordenskovents
I.D. Gloria Fürstin von Thurn und Taxis

Als Powerfrau voller Charme, Temperament, Esprit und Willensstärke erlebte Aachen im Januar 2008 Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. „Ihre Individualität und Beliebtheit auf allen Gesellschaftsebenen, das sozial-e Engagement, ihre ausgeprägte Menschlichkeit im täglichen Miteinander und ihr natürlicher Humor prädestinieren die Fürstin für diese Auszeichnung“, hieß es in der AKV-Begründung. Die minimale Frauenquote beim AKV war für die couragierte Fürstin der Dreh- und Angelpunkt ihrer Ritterinnenrede, in der sie leidenschaftlich, mit Humor und Selbstironie gewürzt „Frauen an die Macht“ forderte.

Sie freue sich riesig über den Orden, den sie aber auch verdient habe, erklärte Gloria, denn als „bayrische Rheinländerin, Ex-Punkerin und Mutter stehe sie in jeder Hinsicht unter Artenschutz“. Und weil Frauen unter den Ordensträgern noch immer in der Minderheit seien, „höre für sie der Spaß auf, und fange der tierische Ernst an“. Sie fügte hinzu: „Spieglein, Spieglein an der Wand, ich sage es allen im ganzen Land, weil ich hier als Ritterin steh’: Heij, welcome Powerfrau – Schneewittchen adé!“ Tosender Beifall folgte beim Fazit ihrer Rede: „Hier steht Ritterin Gloria im Glanze. Ne Powerfrau, doch keine Emanze. Männer sind ja lieb und nicht schlecht. Wir Frauen fordern nur gleiches Recht. Charmant, energisch, nicht bitterlich – das nenn’ ich weiblich, ritterlich. Denn alles ist mir recht auf Erden, nur tierisch ernst darf es nicht werden.“

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